Historische Kirchturmbesichtigungen in Hüttengesäß
Sie haben Interesse, unseren
Kirchturm zu besichtigen? Kein Problem - Kleine Gruppen können mit 5 - 6 Personen bis in die höchste Turmebene in 27 Metern Höhe steigen und dort die Glocken besichtigen.
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Die evangelische Kirche von Hüttengesäß gründet sich auf einer Vorgängerkapelle, die 1236 zum ersten Mal erwähnt wird. Diese Kapelle war eine Filiale des 1108 gegründeten Prämonstratenser- Klosters Selbold. Die Kapelle, einst ein kleines, schlichtes Gebäude mit Satteldach und einer kleinen Glocke, wurde 1596 nach Norden hin erweitert, und mit einem Fachwerk- Aufbau um 6 Meter erhöht. 1718 wurde die Kirche nach Osten hin um das doppelte verlängert (Richtung Altarraum). Die Orgel (Walcker, Ludwigsburg) ist 1892 eingebaut worden, ursprünglich auf einer Orgelempore auf der Ostseite des Kirchenschiffs. Diese Empore, eine frühere Doppelempore und weitere Einbauten wurden bei der Modernisierung 1953 entfernt. Der ursprünglich freistehende Glockenturm war Teil einer Wehranlage und nur über eine Leiter erreichbar. In seiner früheren Form war er weitaus niedriger.
Die stolze, zweigeschossige Laterne mit Haube wurde erst am Kirchweihmontag, dem 26. August 1788 mit dem Wetterkreuz in 27 Metern Höhe vollendet. In dieser Turmhaube war nun mehr Platz für Glocken und eine Turmuhr. Erstmalige Erwähnung einer Glocke findet sich 1538 in einer Kapellenrechnung. 1563 mussten bereits zwei Glocken eingerichtet worden sein, ein Eintrag in den Rechnungen spricht vom „Klöppel an der kleinen Glocke“. 1685 wurde unter Pfarrer Johann Heinrich Ruth eine neue Glocke von 117 Gulden von Glockengießer Schneidewind aus Frankfurt geliefert (damals war Hüttengesäß Filial von Langenselbold). 1687 wurde für 48 Gulden eine neue Turmuhr angeschafft, die nun in Verbindung mit der Glocke die Stunden ansagte.
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1776 liefert Glockengießer Bach von Windecken zwei neue Glocken für 350 Gulden, beide läuten heute noch täglich. Um den Ton der alten Glocke dem neuen Geläut anzupassen, wird die Frankfurter Glocke 1780 von Bach neu gegossen. In der 25– jährigen Amtszeit des Pfarrers Leipold wurden die bisher größten Glocken - Anschaffungen getätigt. 1781 jedoch musste die neu gegossene Glocke bereits wegen Schäden ausgetauscht werden. Die gleiche Glocke wurde 28 Jahre später gegen eine neue ausgetauscht. Im ersten Weltkrieg wurden zwei Glocken für Wehrmaterial beschlagnahmt, doch nur die kleinste musste tatsächlich abgegeben werden, sie wurde 1928 durch eine neue ersetzt, um das Geläut wieder zu vervollständigen. Am 18. Juli 1921 schlug ein Blitz in den Kirchturm ein und beschädigte den hölzernen Aufbau sehr stark. Um den Wiederaufbau voranzutreiben, beteiligte sich die Bevölkerung mit freiwilligen Spenden. Zu Beginn des zweiten Weltkrieges wurden 1940 wieder zwei Glocken beschlagnahmt und geholt, nur die größte blieb zurück. Wegen ihres Alters wurde die mittlere (Nr.3) jedoch vor der Zerstörung bewahrt und konnte 1947 vom Hamburger „Glockenfriedhof“ zurück geholt werden. Nun hängen wieder zwei Glocken, beide von der Gießerei Bach im Kirchturm. Im Jahre 1955 –Amtszeit von Pfarrer Falkenhagen– wurde in Anwesenheit einiger Gemeindeglieder eine weitere Glocke bei der Firma Rincker in Sinn gegossen, diese dritte Glocke sollte nun die Friedensglocke sein. Spenden von Konfirmationsjubilaren und Gemeindegliedern erlaubten es, 1971 eine vierte Glocke anzuschaffen, die nun größte Glocke im Turm.
Glocke 1- Mit 472 Kg die größte Glocke in unserem Turm, 937mm Ø. Inschrift: O Land Land Land Höre des Herrn Wort + Jer. 22 Vers 29 Evgl. Kirchengemeinde Hüttengesäß 1971. Ton: gis’.
Glocke 2 - Mit 240 Kg war dieses stolze Stück 195 Jahre die größte Glocke im Glockenstuhl. 750 mm Ø . Inschrift: Ich rufe Laut Gottes Ehr Mensch die Stimme nicht verhoer. Johann Peter Bach in Windecken goss mich als Herr G.M. Leipold Pfarrer und Johann Jacob Koch Schultheiß und Adam Euler Baumeister waren in die Kirche zu Hüttengesäß MDCCLXXVI (1776) Ton: h’.
Glocke 3 - wurde mit Glocke 2 zusammen gekauft bei der bekannten Glockengießerei Bach. 655 mm Ø mit 152 Kg. Gewicht. Inschrift: Johann Peter Bach in Windecken goss mich in die Kirche zu Hüttengesäß. Soli Deo Gloria MDCCLXXVI (1776). Ton: cis’’.
Glocke 4 - 1955 von Firma Rincker in Sinn gegossen, mit 592 mm Ø und 110 Kg Gewicht die kleinste Hüttengesäßer Kirchenglocke. Inschrift: Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich Euch. Joh. 14,27. Ton: e’’.
Glocken - Hörproben - bitte anklicken:
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Das alte Hüttengesäßer Turm – Uhrenwerk
In der Dienstzeit von Pfarrer Schlicht, wurde 1887 ein neues Turm- Uhrenwerk von
der Firma Höckel aus Flörsheim eingebaut. In einem Empfehlungsschreiben von 1897
lobt Bürgermeister Hofmann die Zuverlässigkeit dieses Uhrwerks. Zitat: „
Entgegen unserer früheren, alten, kollerigen Uhr haben wir jetzt einen ruhigen,
sicheren und graziösen Zeitmesser, dem es während seines etwa 10- jährigen
Laufes auch im Träume noch nicht eingefallen ist, auch nur eine Sekunde ohne
Veranlassung zu feiern.“ Dieses Uhrwerk wurde vom Orgelbauer und
Turmuhrensammler Schmidt aus Gelnhausen 1986 restauriert und steht nun–
funktionstüchtig- im Gelnhäuser Uhrenmuseum. Die dazugehörigen Gewichte hingen
über Flaschenzug einige Meter durch die Turmgeschosse hindurch nach unten. Das
tägliche Schlagen der 24 Stunden ging zwar damals schon automatisch, jedoch das
individuelle Läuten etwa zum Gottesdienst, Vaterunser, bei Todesfällen,
Beerdigungen oder Feuer wurde erst sehr spät - 1971 von Handbetrieb auf
„elektrisch“ umgestellt. Bis dahin wurden die Glockenseile durch Ösen von einem
unteren Stockwerk des Turmes bewegt.
Internetsurftipps:
http://www.walckerorgel.de
http://www.hoeckel-turmuhren.de
http://www.turmuhrenmuseum-gelnhausen.de
Weitere geschichtliche Daten
Montag, 18. Juli 1921. An diesem Tag schlug während eines starken Gewitters ein Blitz im Kirchturm Hüttengesäß ein. Dabei brannte der obere Teil des Turmes ab. Um den Turm wiederherzustellen, sammelte die Bevölkerung gemeinsam und verkaufte Lebensmittel wie Eier, Äpfel und Gartengemüse auf dem Hanauer Wochenmarkt. Dies soll auch ein Anlass gewesen sein zur Gründung oder Aufstockung der örtlichen Feuerwehr.
Zeichnung: Reiner Erdt